Wandrelief Windflüchter

   Begibt sich eine Künstlerin/einKünstler mit seinen Kunstwerken in die Öffentlichkeit, wird es zu einer öffentlichen Äußerung. Die Behauptung, es handle sich um Kunst, weil sie/er Künstler ist, reicht für die Bewertung dieses Kunstwerks dann nicht mehr aus. Von dem Augenblick der Veröffentlichung an ist es ein Irrglaube, anzunehmen, dass nur die Künstlerin/der Künstler ein veröffentlichtes Kunstwerk versteht, weil sie oder er es ja schließlich geschaffen habe. Von nun an entscheiden diejenigen, die es betrachten, darüber, ob es sich um Kunst handelt oder doch eher nicht. Die Behauptung, dass alle Kunstkritik unnütz, ja, sogar schädlich sei, ist ein Versuch der Kunst, sich unangreifbar zu machen, sich gegen den Virus der Kritik zu immunisieren. Nur wer eine Diskussion über Qualitätskriterien für Kunst fürchtet, mag sich dieser Grundhaltung anschließen. Es ändert allerdings nichts daran, dass der Wert von Kunst erst durch deren Bewertung benennbar wird. Hanno Rauterberg fragt nicht umsonst, warum es sich bei Bildern von van Gogh um millionenschwere Kunst handelt, obwohl der Materialwert bestenfalls eine dreistellige Summe beträgt, und dies vermutlich inklusive der objektiv dafür aufgewendeten Arbeitszeit. Dennoch wird niemand der Einordnung von van Goghs Werk als ganz großer Kunst widersprechen. Wenn es sich dabei nicht um pure Willkür handelt, muss es Beurteilungs- und Bewertungskriterien geben, die man benennen kann, um diese Qualifizierung von van Goghs Kunstwerken zu erklären und zu rechtfertigen.

 

   Warum also handelt es sich bei der hier gezeigten Wandskulptur von B.C.Barten um ein Kunstwerk? Es handelt sich hier um eine grafische Grundidee. Das Besondere an dieser Version liegt in der Auswahl des Materials für die Darstellung. Paperclay (also Ton versetzt mit Zellulose) erlaubt die Ausformung dieser Grundidee zu einer haptisch erfahrbaren Version. Die auf die Grundplatte aufgearbeiteten Tonstege erlauben ein Nachfahren dieser Momentaufnahme der im Sturm stark gebogenen Zweige einer sich dem Sturm entgegen stemmenden Pflanze. Die Dynamik der Bewegung dieser Pflanze macht die Abwehr, die die gebeutelte Pflanze mit aller ihr innewohnenden Kraft sichtbar und tatsächlich haptisch spürbar. Die ein- gesetzten Farben unterstreichen diesen Kampf der Pflanze gegen die Elemente. Zwar zeigen die braun gefärbten Enden der weit raus gebogenen Zweige, dass es der Pflanze nicht wirklich gut geht, aber das Grün im Rumpf und in einigen Zweigen sagt den BetrachterInnen, dass sie lebt und nicht aufgibt. Die Idee, dass das Leben zuweilen auch Kampf bedeutet, findet hier einen bildnerischen Ausdruck. Die Aufforderung, nie aufzugeben, ist dabei nicht zu übersehen.

 

   Wie so oft bei B.C.Barten kann man diese Arbeit auch ganz anders betrachten. Man muss sie nur um 90° gedreht aufhängen. Für diese zweite Version dieser Arbeit überlasse ich Sie mal ihren eigenen Gedanken hinsichtlich einer möglichen sinnfälligen Deutung. Leben ist eben sehr vielfältig.

 

   

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