Allen gegenteiligen Behauptungen zum Trotz, über Kunst und Geschmack lässt sich sehr wohl streiten. Genau an diesem Punkt kommen KritikerInnen ins Spiel. Belanglosigkeiten mögen nett klingen. Sie tun auch niemandem weh. Mit Kritik haben sie nichts zu tun. Eine ernsthafte Kunstkritik lebt einzig davon, dass die KritikerInnen ihre Bewertungskritierien offen legen und zur Diskussion stellen. Mit Beliebigkeiten macht man sich zwar weniger angreifbar, bleibt aber in ihren/seinen Aussagen belanglos. Nur, wer seine Maßstäbe benennt, darf Kunst auch bewerten, darf sich ein Urteil erlauben. Als Kritiker stehe ich auf dem Standpunkt, dass Kunst bewertet werden muss, will man sie ernst nehmen. Es tut der Kunst und mit ihr den KünstlerInnen nicht gut, nicht bewertet zu werden. Will man als KritikerIn ernst genommen werden, darf man sich vor der Kritik seiner/ihrer Bewertung nicht fürchten. Die Aussage, dass man über Geschmack nicht streiten kann, ist allerdings keine Kritik, vor der man sich als Kritiker fürchten muss, denn sie ist in sich selbst belanglos.
Ein Kriterium für gute Kunst findet sich in der Rezeption durch die, die Kunst betrachten. Die Wiederholung des ewig Gleichen wird irgendwann langweilig. Interessante Kunst bietet auch Neues, etwas, das von schon sattsam Bekanntem abweicht. Ein typisches Beispiel dafür sind die Ausstellungen der Berliner Sezession. Das Neue ist aber nicht nur deswegen gut, weil es neu ist, es muss auch ästhetische und/oder inhaltliche Begründungen besitzen.
Die hier vorgestellte Wandskulptur von B.C,Barten erfüllt eben diese Forderung. Die Abwandlung vom Bekanntem beginnt bei der Wahl des benutzten Materials. B.C.Barten arbeitet mit Paperclay. Paperclay ist ein Ton, dem Zellulose beigemischt wird. Diese Zellulosebeimischung erlaubt ein deutlich plastischeres Arbeiten mit diesem Material, weil es sich beim Trocknen, Bemalen und Brennen deutlich von reinem Ton unterscheidet. Dies gilt vor allem bei schamottierten Tonen. Da die Industrie schamottierten Paperclay nicht anbietet, muss die Künstlerin dieses Material selbst erstellen. Zellulose ist eine organische Beimischung, die die Lagerfähigkeit als Paperclay massiv einschränkt und als Handelsgut entsprechend unattraktiv macht. Die Möglichkeiten der Formbarkeit und Verformbarkeit wird vor allem in der in die Skulptur eingearbeiteten Gitterstruktur direkt sichtbar. Das plastische Aufarbeiten von einzelnen Elementen auf die Grundplatte führt zu deutlich unterschiedlich dicken Massen. Normaler Ton verlangt einen sehr sorgfältig gesteuerten, langsamen Trocknungsprozess. Andernfalls biegt sich die Grundplatte ungeplant hoch und es kommt zu ungewollten Rissbildungen. Mit Paperclay kann man diese Grenzen, die Ton setzt, deutlich nach außen verschieben.
Als Ergebnis erhält man ein Wandbild, dass die Möglichkeiten der dritten Dimension in einer Weise nutzt, die haptisch erfahrbar ist. Die Gitterstruktur reizt dazu, mit den Fingern zu prüfen, wie fest sie bei aller Verformung noch ist. Die bei der Bemalung dieses Gitters eingesegtzte Glasurfarbe betgont diesen Eindruck des Vergänglichen.
Im formalen Aufbau bietet diese Arbeit mit der Gittersgtruktur ein gedankliches Zentrum, um das sich die restlichen Einzelelemente gruppieren. So entsteht ein Eindruck, der auch mit politisch-gegenwärtiger Interpretation begründet werden kann,
Bei dieser Wandskulptur handelt es sich um ein abstraktes Kunstwerk, auch wenn man als BetrachterIn Bekanntes aus der realen Welt zu erkennen glauben mag. Die Erinnerung an ein Metallgitter, oder dessen Reste, liegt auf der Hand. Dieser Eindruck entsteht, weil unser Gehirn bei jedem visuellen Eindruck das gerade Gesehene mit Erfahrungen aus der Vergangenheit abgleicht. Das können wir nicht verhindern. Dieser Prozess ist evolutionär in uns verankert. Wir können ihn nicht abstellen. KünstlerInnen müssen das bei der Erstellung eines Kunstwerks mit bedenken. Zwischen totaler Langeweile und schockierter Ablehnung sind gerade bei abstrakter Kunst alle Reaktionen möglich. Dieses Relief kann, bei aller Abstraktion auf der rein formalen Ebene, daher auch eine politischen Diskussion über eine durch menschliches Handeln maltretierte Umwelt befeuern. Diverse Assoziationen sind möglich, drängen sich unter diesem Blickwinkel geradezu auf. So weckt das Gitter vielleicht Erinnerungen an achtlos im Wald abgelegte Schrottrerste. Ebenso gut kann es sich um Überreste menschlichen Handelns im Wattenmeer handeln, und, und... Jede/r von uns trägt solche oder ähnliche Erinnerungsbilder in sich.
Gewollt oder ungewollt, manchmal gewinnt Kunst auch durch ihre politische Ebene Bedeutung. Auch abstrakte Kunst kann sich davon nicht aus Prinzip fern halten. Ihre Einordnung durch BetrachterInnen als politische Kunst muss ein Kunstwerk aushalten.
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